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Lautmalereien

Die Wiener Mundart oder brutale Poesie

Die Wiener sind recht großzügig, wenn es darum geht, fremde Ausdrücke in ihr Vokabular zu integrieren. Oftmals werden typisch bayrische Ausdrücke selbst von Wienern als wienerisch klassifiziert. Kein Wunder, denn die Wiener Mundart oder das Wienerische ist ein Ost-Mittelbairischer Dialekt, der mit dem Nordbairischen Dialekt (Oberpfalz, Niederbayern und Donauraum) verwandt ist.

Den beliebten Konjunktiv wie z.B. “I warad dann da” (Ich wäre jetzt hier) bekommt man deswegen sowohl in Nordbayern als auch in Wien zu hören. Speziell wienerisch klingt allerdings die Frage eines Kellners “Wos hättadnsn woin?”, die anklingen lässt, dass, falls tatsächlich etwas serviert werden würde, jetzt der Gast seinen Wunsch äußern könnte. Gerhard Polt sagt, dass "der Dialekt den Zugang zur Wahrheit erleichtert, weil er diverse Möglichkeiten des Konjunktivs und des Irrealis kennt." Das macht dem Dialekt so leicht keiner nach.

Aufgrund der Sprachmelodie klingt das Wienerische generell liebenswürdig, ist aber auch derb, ordinär und oft wenig respektvoll. Das bekam schon Kaiser Leopold I. (1640 – 1705) zu spüren, der wegen seiner markanten Unterlippe vom Wiener Volk liebevoll  „Fotzenpoidl“ genannt wurde.

Der Wiener Dialekt und seine Vertreter sind vielfältig:
In den 1930er Jahren der Wiener Film mit dem jungen Hans Moser und später den Sissi-Filmen (1957/58), die allerdings nur Teile des umfangreichen Spektrums des Wienerischen wiedergaben.

In Jahre 1958 veröffentlichte der Wiener Schriftsteller H.C. Artmann den Gedichtband "med ana schwoazzn dintn", in dem er als Erster Dialektgedichte niederschrieb, die sein größter Publikumserfolg wurden.

In den 1970er Jahren entstand auf einer "Dialektwelle" der Austropop, dessen bekannteste Künstler Ambros, Danzer und Fendrich anfangs allesamt im Wienerischen Dialekt sangen. Nicht zu vergessen die damaligen Liedermacher Ludwig Hirsch und André Heller, die auch als Mundart-Interpreten populär wurden. (Heller und Qualtinger/A Kriagal... A Spitzerl, a Schwipserl, a Räuscherl,a Schwül, man braucht zur Seligkeit zwei drei Promille...). Nicht zu vergessen die Vertreter des "Wienerliedes", u.a. Kurt Sowinetz, der ebenfalls Anfang der 1970er auf die Melodie "Freude schöner Götterfunken" den Text "Alle Menschen san ma zwider" sang.

Oder die neuen Wiener Musiker aus den 2010er Jahren wie Der Nino aus Wien ("Du Oasch"), Ernst Molden, Voodoo-Jürgens, Seiler & Speer ("Ham kumst") und Wanda, die jeweils auf Ihre eigene Art und Weise die Wiener Mundart popularisieren.

Das Wienerische ist vielfältig, aber es zeichnen sich doch weitgehend drei Themenkreise ab, die hervorstechen: die unterschiedlichen Grade der Alkoholisierung, die Formen der Geistesschwäche und die unterschiedlichen Aspekte der Weiblichkeit. Und getreu dem Motto, gesagt wird viel aber wir meinen’s nicht so, nimmt es der Wiener dabei mit der political correctness im Sprachgebrauch nicht so genau. Geraunzt wird über fast alles, aber ernstgenommen auch nicht so viel. Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Das ist der Wiener Schmäh.

Manfred Wilhelm

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